Praxisbeispiele
Zertifizierte Einrichtungen, die den „DGE-Qualitätsstandard für die Verpflegung in Kitas“ erfolgreich eingeführt haben zeigen als "Good Practice"-Beispiele, wie sie das FIT KID-Konzept umgesetzt haben, welche Hürden und Herausforderungen ihnen begegnet sind und welche Vorteile sie durch die Zertifizierung erfahren.
Hintergrundinformationen und Tipps zur Umsetzung eines ausgewogenen Verpflegungsangebots finden sich in dem Interview beziehungsweise in dem Bericht.
INA.KINDER.GARTEN gGmbH
INA.KINDER.GARTEN ist Träger von 20 Kitas in Berlin und hat seit einigen Jahren sowohl das Zertifikat „FIT KID“ (seit 2013) als auch das Zertifikat „Nachhaltige Verpflegung“ (seit 2017) von der DGE erworben. In den Kitas wird täglich frisch nach dem DGE-Qualitätsstandard für rund 2300 Kinder gekocht. Ernährung ist einer der Schwerpunkte bei INA.KINDER.GARTEN. Die Kitaküchen halten sich an die Prinzipien, vollwertig und abwechslungsreich zu kochen, hochwertige Lebensmittel saisonal und ausgewogen zusammenzustellen sowie pflanzliche Nahrungsmittel zu bevorzugen.
Der DGE-Qualitätsstandard für die Kitaverpflegung betont eine pflanzenbasierte Ernährung. Wie lernen Kinder, die wenig Obst und Gemüse kennen und mögen diese anzunehmen?
In unserem Verpflegungskonzept spielt die Ernährungsbildung eine große Rolle. Wir haben als sichtbares Zeichen dazu einen „greifbaren Speiseplan“ eingeführt. Gemüse und Obst, das in den Speisen am jeweiligen Tag vorkommt, sehen die Kinder schon beim Hereinkommen im Foyer. Es liegt im Rohzustand aus. Die Kinder können den Speiseplan bei uns mit allen Sinnen erfassen. Sie können deshalb die Lebensmittel in die Hand nehmen, testen, wie es sich anfühlt An Gewürzdosen können sie riechen und auch mal davon in kleinen Mengen etwas probieren.
Einige Gemüsesorten kommen von unserem eigenen Kitaacker. Unsere Pädagog*innen bauen mit den Kindern zusammen Gemüse und Obst an.
Die Kinder lernen Anbau und Pflege und ernten dann gemeinsam die Ackerfrüchte. Sie tragen ihre Ernte stolz in die Großküche und unterstützen die Küchenfachkräfte bei der Zubereitung. Das macht den Kindern viel Freude und sie sind offen dafür, Gemüse zu probieren. Wir bieten Speisen wiederholt an, weil die Kinder sich so an unbekannte Geschmackseindrücke gewöhnen können.
Mit unserem Speiseplan erreichen wir auch die Eltern – sie lernen mit ihren Kindern mit, wenn es um unbekannte Lebensmittelsorten und dem Ausprobieren neuer Rezepte geht.
Welchen Spielraum lassen die DGE-Empfehlungen für die Kitaverpflegung im Alltag, um die Kinderwünsche einzubeziehen?
Wir haben ein eigenes Ernährungskonzept erarbeitet – zur Orientierung für unsere pädagogischen Mitarbeiter*innen, Eltern, Kinder und Küchenfachkräfte, damit wir auf derselben Basis arbeiten. Die Kriterien des DGE-Qualitätsstandards sind darin integriert.
Die Köche und Köchinnen beziehen die Kinder in die Speiseplanung mit ein. Sie fragen in den Kindergruppen nach ihren Wünschen. Die Kinder können außerdem jederzeit in die Großküche kommen und Fragen stellen. Teils fallen Essenswünsche der Kinder auch spontan, die unser Küchenpersonal dann nach den Kriterien im DGE-Qualitätsstandard aufgreift.
Weil wir Convenience-Produkte allgemein vermeiden, stellen wir auch die bei Kindern beliebten Fischstäbchen selbst her. Je nach Jahreszeit wählen wir die Lebensmittel für den Speiseplan. Die Kinder bereiten häufig eine Speise für ihre Gruppe in der Kinderküche selbst zu. Das stärkt ihre Ernährungskompetenz, die einen wesentlichen Teil der gesundheitsfördernden Lebensführung ausmacht.
Weitere Hinweise zur Bedeutung der Ernährungsbildung enthält Kapitel 3.2 im DGE-Qualitätsstandard für die Kita-Verpflegung.
Kita „Pusteblume" in Bochum
Die Evangelische Kita „Pusteblume" in Bochum wird von einem DGE-zertifizierten Caterer (Rebional, Herdecke) beliefert. Im Durchschnitt nehmen 35 Kinder ab 2 Jahren am Mittagessen und 20 Kinder am Nachmittagssnack teil. Im Folgendem findet sich ein Interview mit der Kitaleiterin Kerstin Marx.
Nach der Einführung des DGE-Qualitätsstandard für die Verpflegung hat sich in der Bochumer Kita „Pusteblume“ einiges an den Mahlzeiten verändert. Kitaleiterin Kerstin Marx achtet darauf, Kinder und Eltern auf die pflanzenbasierten Speiseangebote gut vorzubereiten. Dafür hat sie den „Probierklecks“ und eine spezielle Sitzordnung mit ihrem Team eingeführt.
Wie sind Sie bei der Einführung eines Speisekonzepts nach den DGE-Qualitätsstandards vorgegangen?
Wir haben uns gemeinsam in der Region auf die Suche gemacht nach einem Caterer, der die DGE-Qualitätsstandards für die Kita einhält. Es war uns wichtig, dass es ein ganzheitlich betrachtetes Thema ist und dass das Essen als Erlebnis für die Kinder dargestellt und dargereicht wird. Wichtig war uns auch, dass die Regionalität und die Saisonalität ins Thema einfließt.
Wie haben Sie die Kinder für die geänderten Speiseangebote gewonnen?
Die Kinder waren deutlich anderes Essen gewohnt. Wir haben mit viel Geduld die Begeisterung dafür langsam keimen lassen. Zeit war ein deutlicher Faktor. Dazu haben wir in der Kita eine familienähnliche Atmosphäre geschaffen. An jedem Tisch mit fünf bis sechs Kindern sitzt immer auch eine Kollegin, die begeistert mit ihnen isst, somit als Vorbild für die Kinder dient. Wir haben auch geschaut, dass Kinder, die ohnehin schon begeisterte Esser sind, mit den Kindern zusammensitzen, die Schwierigkeiten haben, um sich gegenseitig positiv zu beeinflussen.
Was haben Sie dazu in den Abläufen geändert?
Wir haben den Probierklecks eingeführt: Jedes Kind bekommt auf seinen Teller eine klitzekleine Portion von dem, was am Tag angeboten wird. Den Kindern steht es frei, es zu probieren. Sie können sich dann etwas nachnehmen und ihre eigenen Grenzen kennen lernen. So ist der Sellerie-Bratling mittlerweile zum Renner geworden oder auch Zucchini in Eihülle – Angebote, die wir früher gar nicht hatten. Die Kinder dachten zuerst, es sei Fisch oder Fleisch paniert und haben dann festgestellt: Oh, da ist ja Gemüse drin und es schmeckt auch lecker.
Was hat sich mit der Einführung des DGE-Qualitätsstandards weiterhin gezeigt?
Der Gemüseanteil ist gestiegen. Die Saucen haben sich verändert. Früher war es eine einheitliche Masse. Wenn die Kinder jetzt in den Topf schauen, sehen sie, welches Gemüse darin ist. Früher wurde das Essen lange Zeit warmgehalten. Jetzt erkennt man, dass Broccoli grün ist, nicht grau. Es ist knackig und schmeckt gut.
Die Gewürze haben sich verändert, sind kinderfreundlicher geworden. Die Kinder essen mehr, weil es nicht so überwürzt ist. Auch bei den Kollegen ist die Freude am Essen gestiegen. Das spüren die Kinder.
Der DGE-Qualitätsstandard empfiehlt nur zwei Mal pro Woche Fleisch. Wurde das angenommen?
Fleisch gibt es bei uns nur einmal die Woche. Ich habe beobachtet: Die Kinder vermissen es nicht. Es hat mich noch kein Kind gefragt, warum es nicht mehr so viel Fleisch gibt. Bei den Eltern war das ein Thema, sie fragten: Warum gibt es nicht häufiger Fleisch? Wir haben erklärt, dass das Fleisch im Gegenzug eine höhere Qualität hat, dadurch der Preis sehr steigen würde, wenn wir jeden Tag Fleisch essen würden, was wir ja grundsätzlich nicht wollen – der Umwelt und der Gesundheit zuliebe. Auch die Qualität der anderen Lebensmittel ist gestiegen. Das hat die Eltern dann überzeugt.
Wie unterstützt Sie der DGE-Qualitätsstandard für die Kitaverpflegung?
Der DGE-Qualitätsstandard unterstützt uns in dem Sinne, dass das Essen wieder eine sinnlichere Rolle eingenommen hat, dass es ein Erlebnis ist. Es ist ein Tagesordnungspunkt, der nicht nur abgehakt wird, sondern etwas, worauf sich Kinder und Erzieherinnen freuen und dem auch einen hohen Stellenwert einräumen. Das ist natürlich ein nachhaltiger Aspekt in der Entwicklung von Kindern.
Volkssolidarität Kreisverband Glauchau / Hohenstein-Ernstthal e.V.
Die Volkssolidarität Kreisverband Glauchau / Hohenstein-Ernstthal e.V. hat zunächst im Mai 2014 ihre Zentralküche DGE-zertifiziert und im Anschluss (Juni 2015) ihre vier Kitas FIT KID zertifiziert. Im Folgenden finden Sie einen Steckbrief und einen Bericht der Einrichtung.
Träger | Volkssolidarität Kreisverband Glauchau / Hohenstein-Ernstthal e.V. |
Kita | Kita „Flax und Krümel“, Lichtenstein Kita „Knirpsenland“, Lichtenstein Kita „Glückskinder“, Glauchau Kita „Buratino“, Meerane |
Zertifizierungsart und seit wann | DGE Caterer Zertifizierung für Zentralküche seit Mai 2014 FIT KID Zertifizierung für Kitas seit Juni 2015 |
Verpflegungssystem | Mischküche Warmverpflegung Mittagessen |
Eigen-/ und Fremdregie | Mittagessen: Zentralküche des Trägers Frühstück/Vesper wird von der Kita zubereitet |
Anzahl der Kinder in der Mittagsverpflegung | 250 (intern) 400 (extern) |
Unser Weg zur FIT KID-Zertifizierung
In unseren Kindereinrichtungen wird seit vielen Jahren Vollverpflegung (Frühstück, Mittag, Vesper, Obst und Getränke) angeboten.
Im April 2013 starteten wir eine Ernährungsinitiative mit dem Ziel, in unseren Kindereinrichtungen eine qualitativ hochwertige, schmackhafte, vollwertige und kindgerechte Verpflegung nachhaltig zu gewährleisten. Gleichzeitig sollten die Empfehlungen des DGE-Qualitätsstandards umgesetzt und Strukturen für eine begleitende Ernährungskommunikation mit allen am Verpflegungsprozess Beteiligten etabliert werden.
So wurden die Verpflegungsangebote zum Frühstück, Mittagessen, Vesper und das Getränkeangebot optimiert. Beim Frühstück und Vesper wird auf eine Reduzierung des Fett- und Zuckergehaltes geachtet und Vollkornprodukte sind jetzt häufiger auf dem Speiseplan zu finden. Frisches Obst und Gemüse gibt es inzwischen täglich, während abgepackte Kuchen oder Waffelmischungen der Vergangenheit angehören. Wenn es Kuchen zu besonderen Anlässen gibt, dann selbstgebackenen Obstkuchen. Beim Mittagessen wurde u.a. das Rohkostangebot erweitert und das Fleischangebot entsprechend der DGE-Vorgaben reduziert. Einmal in der Woche gibt es Seefisch. Als Getränke werden den Kindern ungesüßte Tees und Mineralwasser gereicht.
Nach anfänglichen Bedenken, wie die Kinder auf die Veränderungen reagieren, waren wir positiv überrascht, denn die Kinder nahmen diese gerne an. Z. B. wurden bei der Einführung der Rohkost verschiedene Salate in den Kindereinrichtungen von den Kindern verkostet und die beliebtesten für das Standardsortiment ausgewählt. Ebenso werden Gemüsepalmen oder Gemüse-Gesichter-Schnitten gemeinsam mit den Kindern gestaltet oder es gibt Melonenschiffe, so dass alle Kinder sich auf Obst und Gemüse freuen.
Diese Veränderungen waren jedoch nur durch die enge Zusammenarbeit und regelmäßigen Austausch zwischen den Verpflegungsbeauftragten, die es nun in jeder Kita gibt und ihre Einrichtung vertritt, und dem Caterer – die trägereigene Zentralküche möglich.
Die Verpflegungsbeauftragten sind wichtiger Bestandteil der Ernährungsinitiative und wesentlich verantwortlich für die Verpflegungsaktivitäten in der Kindereinrichtung. Um die daraus resultierenden Anforderungen bewältigen zu können, werden sie in regelmäßig stattfindenden Workshops geschult.
Die Ernährungsinitiative erhielt den Namen „Lecker und gesund für jeden Kindermund“ und jede Kita erarbeitete ein individuelles Verpflegungskonzept, welches die Eltern über die Verpflegungssituation in der Kindereinrichtung informiert. Der Speiseplan wurde bebildert, so dass auch kleine Kinder diesen „lesen“ können. Medienpakete zu verschiedenen Themen, wie u. a. Obst + Gemüse, Getreide, Kartoffeln, Getränke wurden zusammengestellt. Diese sind mit umfangreichem Anschauungsmaterial für die Arbeit mit den Kindern gefüllt. Der Umgang mit Süßigkeiten war ebenso ein Thema, wie die Einbeziehung der Eltern in die Verpflegungsaktivitäten. Zudem fanden verschiedene Wettbewerbe zwischen den Kindereinrichtungen statt. Im vergangenem Jahr, z. B. der Wettbewerb „Kinderleichte Brotaufstriche – Lecker und gesund!“, welchen wir in die deutschlandweite Kampagne „Geschmackstage 2014“ eingebunden haben.
Um für die Ernährungsinitiative eine Nachhaltigkeit zu erzielen und auch Eltern für das Thema Ernährung zu sensibilisieren, haben wir nach Möglichkeiten gesucht Eltern noch besser einzubeziehen. So finden gemeinsame Kochaktionen mit Eltern statt oder es gibt eine Aktion „Topfgucker“. Eltern stellen Gemüse- und Obstspieße zu den Geburtstagen ihrer Kinder her oder bepflanzen Kräuterbeete in der Kindereinrichtung. Es gibt Informationstafeln im Foyer der Einrichtungen und regelmäßig durchgeführte Elterninformationsabende geben Einblick in unsere Arbeit. So konnten wir nach intensiver Arbeit in allen Kindereinrichtungen eine hohe Verpflegungsqualität sichern. Somit war es ein logischer Schritt sich diese durch eine externe Prüfstelle bestätigen zu lassen. Daher haben wir uns für eine Zertifizierung durch die Deutsche Gesellschaft für Ernährung e. V. (DGE) entschieden.
Im Mai 2014 hat zunächst die Zentralküche die Caterer Zertifizierung für den Bereich Kita erfolgreich bestanden. Im Juni 2015 stand dann in unseren vier Kindereinrichtungen die FIT-KID-Zertifizierung an. Der Auditor der DGE prüfte nicht nur die Verpflegungskonzepte, sondern auch die Esssituation und die Essatmosphäre in den Kindereinrichtungen sowie das Hygienemanagement. Mit sehr guten Ergebnissen bestanden auch alle Kindereinrichtungen die Prüfung und dürfen sich nun FIT-KID Kita nennen.
Darauf sind wir sehr stolz!
Quelle: Volkssolidarität Kreisverband Glauchau